New Work: Die Zünglein an der Waage auf der Reise ins gelobte Land

Was entscheidet, ob Transformationen von Erfolg gekrönt sind?

NEW WORK oder THE NEW NORMAL. Motivierend, inspirierend, euphorisierend. Einfach absolut positiv belegt und besungen – zumindest in den sozialen Netzwerken und Blogartikeln. Und auch ich finde es toll. Es ist großartig zu sehen, was sich auf einmal alles bewegt und bewegen lässt. Mein Psychologinnenherz schlägt, wie kann es auch anders sein, bei Werten wie Purpose, Ownership, Belonging oder auch Transparenz, Selbstorganisation und Selbstentfaltung höher. Ich finde es fantastisch, dass diese Werte – erstmals hochgehalten von McGregor 1960 mit seiner Organisationstheorie XY – nun endlich die Bühne und die Gefolgschaft bekommen, die sie meiner Meinung nach verdienen. Großartig, dass Arbeit nun (endlich!) mehr und mehr ausgerichtet nach Bedürfnissen und Motivatoren rund um den Kundennutzen organisiert wird.

Umso mehr erstaunt es mich, dass diese Reise ins gelobte Land vielfach nicht reibungslos, von allen gemeinschaftlich voller Energie getrieben unternommen wird. In den letzten zwei Jahren durfte ich so eine Transformationsreise häufig als Konfliktberaterin ein Stück begleiten. Auf diesen Reiseetappen habe Konfusion und Ängste erlebt, bin massivem Widerstand begegnet und habe emotionalen Eruptionen von Frustration, ausgelöst durch Mehrarbeit oder energieraubende Widerholungsschleifen, beiwohnen dürfen.

Egal wie gut sich Veränderungen auch anhören. Kommt der Anstoß von außen, durchlaufen wir, wenn auch häufig abgeschwächt, einen psychischen Verarbeitungsprozess, den Elisabeth Kübler-Ross erstmals als Trauerbewältigungszyklus aufgezeigt hat und dessen Gültigkeit für den allgemeinen Umgang mit schwerwiegenderen Veränderungen im Verlauf weiterer Forschungen herausgearbeitet wurde.

Wie lange wir mit diesem Verarbeitungsprozess beschäftigt sind hängt zum einem von unserer psychischen Disposition ab (Salopp definiert als Gemisch aus aktueller Befindlichkeit und manifesten Persönlichkeitseigenschaften).

Zum anderen gibt es aber auch Kriterien der Transformation selbst, die die durchschnittliche Qualität und Dauer dieses Verabeitungsprozesses enorm beeinflussen können. Und hier sind wir beim Zünglein an der Waage; genaugenommen bei den FÜNF Zünglein an der Waage.

Die Vision verleiht der Transformation ihren Sinn. Sie ist der Motivator, der emotionale Motor, der die Beteiligten auf ihrer Reise antreibt. Vor allem aber ist sie auch der Kompass, der die Richtung vorgibt! Fehlt dieser, so kommt es zu Konfusion. Diese Verwirrung führt zu inneren Spannungszuständen, die sich in Stress und Konflikten ihren Ausdruck suchen können.

Als Konfliktberaterin bin ich immer wieder zu der Einsicht gekommen, dass viele zwischenmenschliche Konflikte in Umbruchsituationen auf den unterschiedlichen Umgang mit dieser Orientierungslosigkeit und den daraus resultierenden Spannungen zurückzuführen sind.

Sind die beteiligten Mitarbeiter:innen und Führungskräfte nicht überzeugt davon, dass sie alle erforderlichen Fertigkeiten und Fähigkeiten mit im Reiserucksack haben, macht sich Angst und Sorge breit. Auch diese wird von uns Menschen völlig unterschiedlich kompensiert. Einige werden phlegmatisch und verfallen in eine handlungslähmende Schreckstarre, andere entwickeln sich zu hektischen, unkoordiniert durch die Gegend wirkenden Duracell Häschen, die dem planlosen Aktionismus verfallen sind. Wozu wir auch immer neigen, beziehungsförderlich sind diese impulsgesteuerten Verhaltensweisen eher nicht. Wenn wir ums Überleben kämpfen (und um nichts anderes geht es bei diesen stressinduzierten Notprogrammen), neigen wir nämlich nicht besonders stark zu Kooperation und wertschätzendem Umgang.

Incentives meint Belohnungen im vielfältigen Sinne. Lob und Anerkennung für zurückgelegte Reiseetappen, bewältigte Hürden, durchquerte Täler. Regelmäßiges Innehalten und wertschätzendes Reflektieren der gewonnen Erkenntnisse und erreichten Veränderungsschritte. Das iterative Vorgehen ist hierfür eine prima Basis.

Widerstand und Konflikte kommen aber nicht nur auf, wenn vor lauter Ansprüchen die Vergangenheit nicht ausreichend gewürdigt wird (und das passiert oft genug). Widerstand ist fast vorhersagbar, wenn der Zielzustand selbstorganisierter Teams nicht auch durch Team-Bonuszahlungen gestützt, sondern stattdessen durch Einzelboni konterkariert wird.

Wenn wir wollen, dass Teams für das Teamziel und das Teamergebnis Verantwortung übernehmen, sollten wir sie auch dafür und nicht für Einzelleistungen belohnen. Wenn wir crossfunktionales Arbeiten stärken wollen, sollten wir dieses nicht zeitgleich mit konkurrierenden bonirelevanten Bereichszielen schwächen.

Frustration ist hausgemacht, Veränderungen tendieren zum Rohrkrepierer zu werden, wenn wir sie nicht mit ausreichend Ressourcen ausstatten. Wenn ich Beteiligten kaum Zeit gebe, sich mit den neuen Anforderungen auseinanderzusetzen, wirkt jeder Change schnell wie eine Herkulesaufgabe. Gibt es keine Mittel, wird die Wertigkeit des Vorhabens in Frage gestellt. Frustration lässt die vor einem liegende Aufgabe als schier nicht bewältigbar aussehen. Wenn es richtig schlecht läuft, laufen die Mitspieler:innen sich ins Matt der Resignation.

Agil heißt nicht planlos! Iteratives Vorgehen braucht eine klare Struktur mit noch klareren Etappenzielen. Es sollte allen Transformationsbeteiligten zu jederzeit klar sein, was wann von wem mit welchem anvisierten Ergebnis getan bzw. versucht wird. Kurze Sprintzyklen sorgen dafür, dass die Roadmap immer wieder umgeschrieben werden kann. Funktioniert etwas nicht so wie erhofft, wird planvoll reflektiert und analysiert (als beispielhaftes Vorgehensmodell hier die aus der systemischen Beratung stammende systemische Schleife). Preschen wir ohne Plan vor, brocken wir uns Fehlstarts und unnötige Irrwege ein. Und im schlimmsten Fall geht uns dabei die Puste aus.

Widerstand und Konflikten schnell und beherzt begegnen

Konflikte sind im Change normal. Stimmt. Das heißt aber nicht, dass wir sie ignorieren und Business as usual praktizieren sollten.

Im Gegenteil; sie sind ein wichtiges Signal dafür, dass etwas unsere Aufmerksamkeit braucht. Konfusion, Frustration, Widerstand, Verzagtheit, Demotivation sind wichtige Indizien dafür, dass etwas maßgeblich und akut nicht stimmt. Je eher wir uns mit diesen Symptomen auseinandersetzen. Je zügiger und sorgsamer wir den Ursachen hinter diesen Emotionen und Konflikten auf den Grund gehen, desto schneller kann das Tranformationsvorhaben auch wieder mit voller Energie und Leidenschaft Fahrt aufnehmen.

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