Schweigen.
Schweigen kann so unterschiedlich wirken und so unterschiedliche Ursachen und Folgen haben. Schweigen ist in der Arbeit mit Konflikten nahezu ein fester Bestandteil. Es kommt in meiner Arbeit als #Klärungshelferin viel häufiger vor als beispielsweise wilde Dramatik mit emotionalen Ausbrüchen. Wie Schweigen wirkt, ist stark vom Kontext abhängig. In einer Meditation ist es gewollt und wohltuend. In einem achtsamen Moment der Zweisamkeit kann es verbindend wirken. Wir verstehen uns ohne Worte. In Konflikten wirkt es auf die Beteiligten verunsichernd und ist schwer auszuhalten. Schweigen wird in diesem Kontext zumeist als „Widerstand“ oder „stille Gegenwehr“ gegen das Geäußerte oder gar gegen sich als Person gewertet. Mein Gegenüber straft mich mit Nichtbeachtung. Nicht umsonst heißt es im Englischen „the silent treatment“.
Doch auch in der Konfliktklärung kann Stille vielfältige Auslöser haben. Es gibt unterschiedliche Typen des Schweigens.
- Schweigen wegen innerer Unklarheit über die eigenen Bedürfnisse, Nöte und Interessen
- Schweigen wegen überhöhten Anspruchs an die eigene Art und Weise der Meinungsäußerung
- Schweigen wegen innerer Blockaden und Ambivalenzen
- Schweigen wegen vermeintlich unpassender Emotionen oder Bedürfnisse
- Schweigen als Schutz, um nicht zu verletzen oder verletzt zu werden
- Schweigen als Zeichen der Dialogverweigerung
- Schweigen als Machtdemonstration (der Schwächere ergreift zuerst wieder das Wort)
- Schweigen als Zeichen des inneren Verarbeitungsprozesses
- Schweigen als Zeichen des Zuhörens und der Aufmerksamkeit
- Schweigen als Zeichen von Zustimmung und Akzeptanz
Wie aber weiß ich, welches Schweigen gerade schweigt? Erstmal gar nicht. Ich habe natürlich meine Vermutungen – wie so ziemlich jede:r andere im Klärungsprozess auch. Aber, wie jede:r andere im Klärungsprozess auch, kann ich damit falsch liegen.
Deshalb betrachte ich es immer wieder als meine Aufgabe, dem Schweigen auf den Zahn zu fühlen. Ich frage nach dem Grund des Schweigens, ich überprüfe meine Vermutungen durch aktives Zuhören und Doppeln oder lege dar, wie dieses Schweigen eventuell aufgefasst werden könnte und sichere mich ab, ob dies so im Sinne des Senders wäre.
Per se stört Schweigen nicht. An Schweigen ist auch im Konfliktgeschehen nichts auszusetzen. Schwer auszuhalten ist nicht der Umstand an sich, sondern die große Interpretationsvielfalt. Wir wissen in solchen Augenblick als Gegenüber nicht, woran wir sind. Wenn wir darüber Sicherheit erlangen, ist Schweigen sogar in vielen Situationen förderlich. Denn es verlangsamt einen hitzigen, sich selbst überholenden Prozess. Es hilft uns, uns besser darüber bewusst zu werden, was in uns gerade los ist, was wir brauchen und was uns wichtig ist. Und das ist DER Bestandteil für gute, tragfähige Lösungen.