Was hat Alsterwasser mit Konfliktklärung gemein?

Am Wochenende haben wir uns spontan zu einem sogenannten Mikroabenteuer aufgemacht. Wir sind die Alster flussaufwärts gepaddelt. Und wer sich in Hamburg ein wenig auskennt weiß, dass „die Alster“ nicht nur der große „See“ mit seinen vielen Kanälen im Stadtzentrum ist, sondern es noch einen Alsterlauf gibt – den Fluss. Gestartet sind wir in einem der vielen Kanäle, mal haben wir eine Abzweigung links genommen, mal eine Abzweigung rechts. Manchmal sind wir in einer Sackgasse gelandet, dann mussten wir umdrehen. Manchmal wussten wir nicht mehr genau wo wir waren vor lauter abzweigenden Kanälen. Und manchmal haben wir es ganz ordentlich mit Strömungen zu tun bekommen. Wer die Alster kennt weiß auch, dass sie zur Quelle hin immer engläufiger wird. Die Landschaft wird immer ursprünglicher, das bringt das Naturschutzgebiet mit sich. Deshalb mussten wir so manchem Hindernis ausweichen; umgekippte Baumstämme, Pfähle, Sandbänke. Allerdings war es zu dem Zeitpunkt auch leichter Kus zu halten. Der Weg war jetzt nahezu eindeutig. Und am Ende, als wir es geschafft hatten, waren wir sehr zufrieden und auch ein wenig erleichtert.

Was hat das jetzt mit Konfliktklärung zu tun?

Genauso erlebe ich häufig den Weg meiner Klient:innen in der Konfliktklärung. Am Anfang wirkt alles überwältigend groß, wirr und verflochten. Der Anfangspunkt liegt in vielen Fällen nicht mehr klar auf der Hand. Die Beschäftigung mit dem Ziel gibt ihnen dann zumindest erstmal einen Kompass an die Hand. Die Auflistung der zu besprechenden Themen gleicht der Wasserkarte aller Kanäle. Welche weiterführend sind und welche sich letztendlich doch eher als Nebenkriegsschauplätze entpuppen werden, ist zu dem Zeitpunkt oftmals nicht mehr klar ersichtlich. Dies verändert sich zunehmend im Prozessverlauf. Die thematische Klärung wird stringenter, fokussierter und ruhiger. Emotionale „Strömungen“ werden seltener, die Klient:innen geübter im erspähen und umschiffen der Hindernisse. In vielen Fällen kommt am Ende dann eine Ernüchterung: Die Quelle ist kein reißender Wasserfall, sondern besteht viel mehr aus mehreren kleinen Zuläufen. Die meisten Konflikte nehmen im Laufe der Zeit erst an Masse, Geschwindigkeit und Komplexität zu. Häufig sind die Quellen so unspektakulär, dass wir schlichtweg versäumen, ihnen das richtige Maß an Aufmerksamkeit gleich von Beginn an zukommen zu lassen. Denn wir wollen ja nicht aus einer Mücke einen Elefanten machen – oder aus der kleinen Alsterquelle einen großen See mit vielen Abzweigungen. Und dennoch; trotz aller Ernüchterung sind die meisten am Ende der Konfliktklärung erleichtert und zufrieden mit sich. Und das mit vollem Recht!

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